Komorbidität

Was bedeutet Komorbidität?

Von Komorbidität spricht man, wenn eine Begleiterkrankung vorhanden ist oder gleichzeitig mehrere Erkrankungen auftreten. Dabei muss man unterscheiden, ob es sich um eine zweite, gleichwertige Erkrankung handelt oder um ein zusätzliches Problem, das sich aus der eigentlichen Erkrankung entwickelt hat.

Bei Patienten, die an einer bipolaren Störung leiden, treten gehäuft komorbide psychische Störungen auf. Dies sind insbesondere Angststörungen, Substanzmissbrauch und -abhängigkeit, Persönlichkeits- und Impulskontrollstörungen wie Essstörungen und Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Die Leitlinie empfiehlt zur Diagnostik dieser komorbiden Störungen mindestens die Anwendung eines standardisierten klinischen Interviews auf Basis der Klassifikationssysteme ICD-10 oder DSM-IV, z.B. SKID, CIPI. Die Diagnostik möglicher Komorbiditäten ist wichtig, um diese bei der Therapie und Verlaufsbeobachtung berücksichtigen zu können.

Auch somatische Komorbiditäten sind bei bipolaren Störungen häufig anzutreffen. Zu den häufigsten zählen muskuloskelettale Erkrankungen wie z.B. Arthritis und Rückenschmerzen, gastrointestinale Erkrankungen, endokrinologische Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus und Adipositas. Auch kardiovaskuläre Erkrankungen wie z.B. Hypertonie oder Apoplex treten gehäuft bei diesen Patienten auf.

20 verlorene Lebensjahre

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Psychische Krankheiten kann man nicht sehen: Die Wunden, die sie schlagen, sind innerlich. Wie stark sie auch die körperliche Gesundheit zerrütten, wird daher leicht unterschätzt – sogar von Ärzten. Ein Aufruf zu mehr Achtsamkeit.

Schwere Depressionen, Schizophrenie, bipolare Störungen: Die Leiden der Seele sind so vielfältig wie die des Körpers – und genauso gefährlich. Denn wenn die Seele krank ist, nimmt auch der Körper Schaden. Und das äußert sich ganz konkret in einer stark verkürzten Lebenserwartung. Oxforder Psychiater haben dies nun erstmals ausgerechnet. Zehn bis zwanzig Jahre Lebenszeit kostet demnach eine schwere psychische Erkrankung im Schnitt. „Viele psychische Krankheiten vermindern die Lebenserwartung stärker als das Rauchen von 20 Zigaretten am Tag“, sagt Seena Fazel, der Leiter der Studie. Für diese hatten die Wissenschaftler 20 Studien mit Daten von 1,7 Millionen Personen ausgewertet. Mehr als 250.000 waren in den jeweiligen Untersuchungszeiträumen verstorben.

20 Jahre Lebenszeit

So ist die Lebenserwartung von Menschen mit einer bipolaren Störung im Vergleich zu seelisch Gesunden um neun bis 20 Jahre im Schnitt verkürzt. Sieben bis elf Jahre gehen Menschen mit schweren Depressionen verloren. Und für Schizophreniepatienten verkürzt sich die Lebenszeit um zehn bis 20 Jahre. Zum Vergleich: Kettenraucher sterben durchschnittlich acht bis zehn Jahre früher.

Stresshormone nagen am Herzen

Die Gründe dafür: Erkrankungen wie beispielsweise Herzinfarkt und Diabetes treffen Menschen mit schweren psychischen Leiden häufiger und schwerer. Das liegt teilweise daran, dass die seelische Notlage auch die Körperfunktionen destabilisiert  – von Blutdruck über Zuckerhaushalt bis hin zum Immunsystem.

Ein wichtige Rolle spielen dabei Stresshormone, die der Körper unter seelischem Druck permanent produziert. Sie stören die Blutzuckerbalance und lassen Puls und Blutdruck klettern. Außerdem kurbeln sie Entzündungsprozesse an, die unter anderem an den Gefäßwänden nagen. Die Folge sind kranke, verkalkte Blutgefäße, die das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall in die Höhe treiben.

Überforderte Patienten

Außerdem: Menschen mit einer seelischen Erkrankung sind weniger gut in der Lage, für sich zu sorgen. Für eine gesunde Ernährung, Sport oder sogar einen Arztbesuch fehlt ihnen häufig die Energie oder auch die Organisationsfähigkeit. Auch wenn körperliche Beschwerden auftreten, können sie weniger selbst dazu beitragen, wieder gesund zu werden: Ihnen fallen notwendige Lebensstiländerungen noch schwerer als anderen, sie vergessen häufiger ihre Medikamente oder die Diabetiker unter ihnen messen zu selten Blutzucker, um ihn richtig einzustellen.

Ein weiterer Grund, aus dem psychisch kranke Menschen früher sterben: „Sie verhalten sich oft riskant – insbesondere Alkohol – und Drogenmissbrauch sind sehr verbreitet“, erklärt Fazel.

Und last, but not least ersticken seelische Erkrankungen häufig die Lebensfreude – und nicht selten auch den Lebenswillen. Zehn bis 15 Prozent der Menschen mit gravierenden seelischen Problemen begehen Suizid.

Besonders beunruhigend: Auch die Ärzte haben die gesundheitlichen Risiken, die mit mentalen Erkrankungen einhergehen, selten auf dem Radar: „Seelische und körperliche Erkrankungen werden getrennt betrachten – auch vonseiten der Ärzteschaft“, warnt Fazel.

Schnelles Handeln nötig

All diese Dinge könne man ändern, sagt der Psychiater. Es gebe effektive Medikamente und therapeutische Angebote für Menschen mit seelischen Erkrankungen, die es allerdings auch einzusetzen gelte. Vor allem sei es wichtig, dass Betroffene schnell Hilfe erhielten, wieder ins Berufsleben integriert würden und eine sinnvolle Beschäftigung hätten. Fazel ist überzeugt: „Das ist eine Herausforderung, aber das können wir schaffen.“

Neben den Medizinern und Psychiatern sieht er vor allem die Politik in der Verantwortung: „Psychischen Problemen muss viel stärkere Priorität eingeräumt werden“, so der Wissenschaftler. Vorbildfunktion könnten hier die Anti-Rauch-Kampagnen sein, die bereits große Wirkung zeigten. „Jetzt brauchen wir ähnliche Anstrengungen in Hinblick auf die mentale Gesundheit.“ Letztlich seien psychische Probleme genauso gefährlich und verbreitet wie der Konsum von Zigaretten. Und die halten wir ja auch zunehmend in (der) Schach(tel).